So, wie man nicht die Woche über immer nur bis zum Wochenende denken sollte, darf man auch nicht das ganze Arbeitsleben lang sich nur von Urlaub zu Urlaub und langfristig nur geistig auf die Rente konzentrieren. Die Zeit dazwischen gilt es auch zu nutzen, sicherlich gibt es mal stressigere und weniger stressige Zeiten im Job.
Und wo man seine Prio legt (Job, Familie, Freunde, Hobby) muss man auch immer wieder neu austarieren, ändert sich eben auch.
Aber in meiner Familie waren viele nur auf die Rente konzentriert, was die da alles endlich mal machen wollten!
Realität:
Mein leiblicher Vater starb mit 58 an Krebs.
Mein Schwiegervater erhielt mit 57 eine Demenzdiagnose und starb vor zwei Jahren mit 67 im Pflegeheim.
Das treibt mich allabendlich zu Frau und Kind nach Hause, und zwar zu Zeiten, wo beide noch wach sind. Meine Tage habe ich so mit dem Arbeitgeber verhandelt (lange vor Covid-19), dass ich min. 2 Tage Home Office in der Woche habe. An denen geht (meist) meine Frau arbeiten, also hab ich die Tochter nachmittags (nach Kindergarten) alleine. Jeden 2. Samstag sowieso.
Wir unternehmen viel, sie werkelt mit 2,5yo gerne in der Werkstatt mit und unternimmt gerade erste Laubsägeversuche (altersentsprechend, klar, sie ist kein Wunderkind sondern ein ganz normal neugieriges Zweijähriges).
So erlebe ich viel wertvolle Zeit mit ihr, ich kenne ihre Schuhgröße, ihre Lieblingsgeschichte und koche gerne ihr Lieblingsessen. Ich kenne ihre ersten Kindersorgen und sie kommt ebenso zu mir, wenn was ist, wie zu meiner Frau. Altersentsprechend ist sie ein schrecklicher Trotzkopf, hört aber aufmerksam zu und protestiert, wenn jemand, mit dem sie spricht, nicht das Handy weglegt. Dazu gehören auch nebenbei die üblichen vollen Windeln (inzwischen auch Hosen), Baden, Zähneputzen, nachts aufstehen, wenn es sein muss, hunderte Male....
Was ich Euch damit sagen möchte: Keine Sekunde davon will ich vermissen!! Müsste ich morgen abtreten, wäre ich traurig, dass ich nicht sehe, wie sie groß wird. Aber ich muss keine Minute bedauern, in der ich nicht für sie da gewesen wäre, obwohl ich gekonnt hätte.
Ich plane auch langfristig und aktuell bahnt sich mit unserem Hausbau das größte Projekt im Leben an. Aber ich versuche eben nicht so zu leben, dass nur Freizeit, Wochenende, Urlaube und später die Rente erstrebenswert ist. Im Laufe der Zeit hat sich so wieder meine Aufmerksamkeit auf ganz viele kleine Dinge gelenkt, die ich früher in der Hektik übersehen habe.
Daher ist auch für uns der erneute Lockdown kein Drama, war es schon im Frühjahr nicht. Im Gegenteil: Für uns war es ein Geschenk, als Familie mal sehr viel Zeit miteinander verbringen zu können. 100% Home Office seitdem, klappt prima und ich stehe nicht im Stau, sondern esse drei Mal am Tag mit meiner Familie. Dafür bin ich dankbar.
Ja, ich schiele manchmal auch in Rente, aber bis dahin will ich schon ganz viel erlebt haben und vermutlich wird der Umbruch doch gar nicht so heftig, wie es von anderen wahrgenommen wird. Mein Leben fühlt sich seit meiner Einsicht anders an, weniger aufregend, aber geordnet und wertvoll gefüllt.
Jeder muss das für sich selbst entscheiden, aber vielleicht gibt es ja dem einen oder anderen einen Denkanstoß.
Liebe Grüße an alle und blebt gesund!